von Sonja Claus und Andrea Rietmann
Der Markt der maschinellen Übersetzungen ist so bunt wie das Herbstlaub. Doch liefern diese Systeme auch die Ergebnisse, die nötig sind, um Lesern in einer anderen Sprache Textinhalte verständlich und korrekt zu vermitteln?
An verheißungsvollen Versprechungen mangelt es jedenfalls nicht. So gaben verschiedene Industrie- und Handelskammern (IHKs) im April dieses Jahres bekannt, dass das Online-Übersetzungstool der EU-Kommission von kleinen und mittleren Unternehmen kostenlos genutzt werden kann. Als großer Vorteil wurde die Vertraulichkeit hervorgehoben, da bei diesem Tool keinerlei Daten gesammelt oder weiterverwendet werden. Kaum thematisiert wurden jedoch die Nachteile, auf die wir hier ein wenig eingehen wollen.
Daneben gibt es viele andere kostenlose und kommerzielle Tools, einige davon schon sehr bekannt, andere weniger.
Tools, die maschinelle Übersetzungen liefern, können große Mengen Text innerhalb extrem kurzer Zeit, quasi auf Knopfdruck in eine andere Sprache übertragen. Hin und wieder genügen diese Tools, um sich einen groben Überblick über den Inhalt eines Texts zu verschaffen. Allerdings ist Vorsicht geboten, da grobe inhaltliche Fehler enthalten sein können. Daher warnt z. B. auch die EU-Kommission auf ihrer eigenen Seite, dass ihr Übersetzungstool nur eine Rohübersetzung liefert, die von einem qualifizierten Übersetzer überarbeitet werden muss, falls ein präziser, hochwertiger Text benötigt wird. Dies gilt aber nicht nur für das Übersetzungstool der EU-Kommission, sondern auch für alle anderen Tools.
Die früheren maschinellen Übersetzungssysteme, die mit regelbasierten oder statistischen Methoden arbeiteten, erzeugten ein mehr oder weniger amüsantes Ergebnis. Doch vor etwa sechs Jahren gelang mit der neuronalen maschinellen Übersetzung (NMT) ein echter Durchbruch. Die NMT ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz und basiert auf neuronalen Netzen. Die Übersetzungen, die mit dieser Technologie erzeugt werden, lesen sich weitaus natürlicher als der Output früherer Systeme. Die dafür eingesetzte Software, „Engine“ genannt, wird mit Daten aus bereits vorhandenen Übersetzungen gefüttert und dadurch optimiert.
Das Innere der Engine ist allerdings eine Art Blackbox. Wie das Übersetzungsergebnis genau zustande kommt, ist kaum nachvollziehbar und lässt sich folglich auch nicht steuern. Dieses Manko schlägt sich natürlich im Ergebnis nieder: Sobald das erste Staunen über die flüssigen Sätze gewichen ist, erweist sich bei genauerem Hinsehen, dass auch hier bei Weitem nicht alles Gold ist, was glänzt. Die NMT hat ihre Tücken. Denn während die Fehler früherer Systeme offenkundig waren, werden die Fehler der NMT leicht übersehen, weil die Sätze oft sehr gut klingen, obwohl sie inhaltlich schlicht falsch sind.
Wer maschinelle Übersetzungen sinnvoll einsetzen möchte, braucht eine fachgerechte Beurteilung ihrer Grenzen und Möglichkeiten unter Berücksichtigung der Voraussetzungen und des Zwecks der angestrebten Kommunikation.
Die maschinelle Übersetzung bringt je nach Textsorte andere Schwierigkeiten mit sich, und ihr Nutzen nimmt mit zunehmender Komplexität der Anforderungen ab. Einfache, kurze Sätze in Alltagssprache kann sie in der Regel gut bewältigen. Eine präzise Verwendung von Fachsprache hingegen scheitert an der bereits erwähnten Unberechenbarkeit der Übersetzungslösungen. Aus demselben Grund ist keine Einheitlichkeit in der Sprachverwendung gewährleistet, so dass Missverständnisse beim Leser entstehen können. Schwierigkeiten anderer Art ergeben sich bei eher publikumswirksamen Texten, die mit Humor oder Metaphorik arbeiten. Solche Stilmittel werfen die Maschine quasi aus der Bahn, und Zweideutigkeiten oder Anspielungen bringen sie „völlig aus dem Konzept“. Zwischen den Zeilen lesen kann bislang kein Algorithmus. Texte, die öffentlichkeitswirksam eingesetzt und daher ansprechend formuliert sein sollen, sowie SEO optimierte Texte eignen sich nicht für den Einsatz von maschineller Übersetzung.
Maschinelle Übersetzung kann bei bestimmten, z. B. standardisierten Texten wertvolle Unterstützung bieten. Für Sie als Kunde kann sich daraus ein Zeitgewinn und eine eventuelle Kostenersparnis ergeben. Allerdings muss jede maschinelle Übersetzung grundsätzlich von einer qualifizierten Fachkraft geprüft werden.
Als Erweiterung unseres Portfolios bieten wir die Prüfung maschineller Übersetzungsergebnisse, ein sogenanntes Postediting, an. Durch das Postediting sorgen wir dafür, dass maschinell übersetzte Texte am Ende wieder Ihre Sprache sprechen. Vorab ist eine Abstimmung nötig um Ihre Anforderungen an den Zieltext genau zu klären. Zudem beraten wir Sie, ob der Einsatz maschineller Übersetzung für Ihre Texte geeignet bzw. wirtschaftlich sinnvoll ist.
Wenn Sie tiefer in die Thematik einsteigen möchten, bieten Ihnen unsere Artikel „Posteditieren nach ISO 18587“ und „Kompetenzen und Qualifikationen von Posteditoren“ bestimmt interessante Einblicke.
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